Präambel

Migration und Einwanderung sind wesentliche Faktoren, die Stadtgesellschaften prägen. Dies gilt im besonderen Maße für Mannheim. Zuwanderungen größerer Gruppen finden seit dem 17. Jahrhundert immer wieder statt und Mannheim ist stolz darauf, dass das Zusammenleben in friedlicher Art und Weise verläuft. Heute leben in Mannheim Menschen aus rund 170 verschiedenen Ländern mit einer Vielfalt an Kulturen. 2005 hatte von rund 320.000 Einwohnern fast jeder Dritte Migrationserfahrungen.

Migration Mainstreaming ist eine der handlungsleitenden strategischen Richtlinien für die gesamte Stadtpolitik. Migration Mainstreaming meint Chancengleichheit und Teilhabemöglichkeit. Ziel ist eine tolerante und sozial gerechte Gesellschaft mit gleichen Rechten für alle, in der Zuwanderung als Herausforderung und als Bereicherung verstanden wird. Das Recht auf Differenz und Vielfalt von Lebensentwürfen unterschiedlicher Kulturen ist auf der Grundlage der Menschenrechte und der Verfassung zu achten und zu unterstützen. Verbunden damit ist die Überzeugung, dass gegenseitige Anerkennung, Respekt und Wertschätzung Dialoge zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen befördern und zu einer solidarischen und friedlichen Gesellschaft beitragen. Interkulturelle Kulturarbeit ist dabei eine erste Konkretisierung und ein wichtiger und unverzichtbarer Baustein von Migration Mainstreaming. Es geht in der heutigen Gesellschaft darum, Differenzen zuzulassen, die eigene Lebensform nicht als Absolutum zu setzen, kulturelle Lern- und Kommunikationsprozesse zu ermöglichen und zu fördern. Dabei ist die Erfahrung von Kunst und Kultur eine wichtige Grundlage für den Umgang des Einzelnen mit sich und der Welt. Sie bietet eine zweifache Chance:

Zum einen gibt es in den Künsten eine vollkommen gleichberechtigte Koexistenz unterschiedlichster Gestaltungsmöglichkeiten, Weltsichten und Anschauungsformen. Die historischen Formen bleiben neben den neuesten uneingeschränkt gültig. Eine Kunstdebatte ist vor allem eine Auseinandersetzung, die zu spannungsvoll widerstreitenden Positionen führen kann. Darüber hinaus fördern Kunsterfahrung und ästhetisches Denken in besonderer Weise Subjektivitätsbildung, Sinnesschärfung und Wahrnehmungsfähigkeit des Einzelnen, Eigenschaften, die in der zunehmend komplexeren Welt für die Orientierung wichtig sind. Zweitens liegt die Besonderheit der interkulturellen Kulturarbeit darin, dass beispielsweise Barrieren wie fehlende Sprachkenntnisse überwunden werden können, weil andere künstlerische Ausdrucksformen die Inhalte vermitteln. Im Übrigen sind die Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Milieus oder die unterschiedlichen Bildungskarrieren für die Menschen oft wichtiger als ihre Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe. Subkulturen und soziale Barrieren prägen Menschen stärker als konventionelle Unterscheidungskriterien wie Sprache, Herkunft oder Religion.

Die interkulturelle Kulturarbeit fördert den wechselseitigen Austausch und stößt künstlerische und gesellschaftliche Prozesse an. In der Geschichte der Kunst und Kultur sind entscheidende Wendepunkte fast immer in der Auseinandersetzung mit fremden Einflüssen und Kulturen entstanden, die zu neuen Ausdrucksformen geführt haben.

Es gilt, Antworten auf die Frage zu finden, wie die Bevölkerung mit Migrationshintergrund als wichtiger und mitgestaltender Teil der Stadtgesellschaft einbezogen werden kann. Teilhabegerechtigkeit für zugewanderte Gruppen muss bei Planung, Durchführung und Analyse von kulturellen Maßnahmen und Projekten bedacht sein. Alle Kultureinrichtungen sind aufgefordert, ihre jeweiligen Aufgaben und Ziele mit Blick auf die MigrantInnen zu beschreiben, es müssen Strategien und Lösungen gefunden werden, diese Zielgruppe(n) zu erreichen und den Erfolg der Arbeit zu überprüfen. Zugangsmöglichkeiten sind für MigrantInnen bei allen öffentlichen Kulturangeboten zu schaffen.

Interkulturelle Kulturarbeit wird dann erfolgreich sein, wenn sie als kontinuierliche Aufgabe und nicht als einmaliges Projekt verstanden wird. Ein verlässlicher Ressourceneinsatz (Finanzen, Personal) gehört ebenso dazu wie eine professionelle, hauptamtliche Unterstützung. Inhaltlich sollten bei der interkulturellen Kulturarbeit sowohl Initialprojekte entwickelt werden, aus denen sich weitere Projekte und Partnerschaften generieren lassen als auch bewährte Projekte als Regelangebote fortgesetzt bzw. ausgebaut werden.

Mit dem Konzept zur interkulturellen Kulturarbeit soll der Weg zu Migration Mainstreaming in den kommunalen Kultureinrichtungen beschritten werden, d.h. der Förderung der kulturellen Partizipation und Teilhabe von ethnisch geprägten Gruppen und Minderheiten. Im Folgenden werden die strategisch-politischen Ziele beschrieben, die dieses Konzept verfolgt. Es richtet sich an PolitikerInnen der politischen Gremien und des Gemeinderats sowie Leitungen /Fachleute in den Kultureinrichtungen.