Wilhelm Wundt – weltberühmter Wissenschaftler und liberaler Reformer

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    Wundt postulierte zwar, dass Körper und Geist getrennt existierten, betrachtete sie aber als gleichwertig. Darauf begründet Wundt die experimentelle Psychologie – wird zum Wegbereiter der Psychologie als eigenständige Wissenschaft.

Ehrenbürger Mannheims begründet die Psychologie als Wissenschaft

Körper und Seele bilden eine Einheit. Das ist für uns heute selbstverständlich. Doch lange Zeit stritten die Gelehrten um den Zusammenhang von Geist und Materie. Lediglich ein Körpersekret sahen die einen in der Seele. Es gebe überhaupt keine Verbindung, urteilten andere. Eine Lösung des Dilemmas fand Wilhelm Wundt, der weltberühmte Mannheimer Wissenschaftler.

1907 erkor Mannheim seinen damals mit Abstand bekanntesten Sohn zum Ehrenbürger, und zwar zu einem besonderen Anlass – dem 300-jährigen Stadtjubiläum. Im Ratsprotokoll wurde der 1832 in Neckarau geborene Wilhelm Wundt als „einzigartige Leuchte der Wissenschaft“ gerühmt. Sein Name hat sich vielerorts manifestiert. Die Grund- und Realschule in Neckarau wurde nach ihm benannt, die dortige Zweigstelle der Stadtbibliothek. Zudem ist in der Kunsthalle eine Bronzebüste des berühmten Mannheimers zu bewundern.

Der in eine protestantische Pfarrersfamilie geborene Wilhelm war ein verträumtes Kind – und ein „Spätzünder“, wie man heute sagen würde. „Spät und plötzlich erwacht“ sei er im vierten Studiensemester, zitiert ihn Peter Petersen in seiner Wundt-Biografie. Dann allerdings brach der schöpferische Geist aus ihm heraus. Doch eines blieb dem Gelehrten zeit seines Lebens erhalten – eine zarte körperliche Konstitution. Nichtsdestotrotz beendete Wundt erst im Alter von 85 Jahren seine Lehrtätigkeit und schloss im Lebensabend sein enormes Werk über die „Völkerpsychologie“ ab.
Wilhelm Wundt

Wundts wissenschaftliche Karriere beginnt in Tübingen. Dort hört er ab 1851 – etwas planlos – Botanik, Chemie, Physik sowie Anatomie und Physiologie des Menschen. Später in Heidelberg, er studiert Mathematik, machen die Vorlesungen von Robert Wilhelm Bunsen, dem Begründer der physikalischen Chemie, gewaltigen Eindruck auf den Studenten Wundt. Überhaupt ziehen physiologisch-chemische Probleme ihn immer mehr in ihren Bann. Das geht so weit, dass er ein Experiment an sich selbst anstellt – über die Wirkung des Kochsalzes auf den menschlichen Organismus. Daraus resultiert seine erste Veröffentlichung. Anerkannt von der Wissenschaft, findet sie auch bald Eingang in das damals verbreitetste Lehrbuch der Physiologie.

Bald stellt Wilhelm Wundt – als Assistenzarzt in der Heidelberger Klinik – sein Grenzen überschreitendes Denken unter Beweis: Einige seiner Patienten litten an Lähmungen der Haut und der Muskeln. Wundt diagnostizierte psychische Ursachen – entgegen der Lehrmeinung, die dem Leiden körperliche Gründe zuschrieb. Seine Beobachtungen beschreibt und veröffentlicht er in dem 400 Seiten starken Band „Beiträge zur Theorie der Sinneswahrnehmung“.

„Mit höchstem Lobe“ promoviert er 1856, habilitiert und doziert nun in Heidelberg über die gesamte Physiologie mit Demonstrationen und Experimenten. Und er kommt über die Naturwissenschaft – entsprechend seiner Prämisse der Übereinstimmung von Körper und Seele – endgültig zur Psychologie. Mit großem Erfolg. In den sechziger Jahren häufen sich seine Veröffentlichungen. 1864 umfasst Wundts Publikationsliste bereits 51 Titel. Das Lebenswerk des unermüdlichen Gelehrten beläuft sich schließlich auf eindrucksvolle 500 Schriften.

Ein Jahr lang lehrt Wundt in Zürich Philosophie, wird 1875 nach Leipzig berufen. Hier forscht und lehrt er 45 Jahre lang. In Leipzig gründet er das erste Institut für experimentelle Psychologie – gemeinsam mit dem Physiker Hermann Helmholtz –, gibt die erste psychologische Fachzeitschrift heraus. Insbesondere bildet Wilhelm Wundt einen experimentell geschulten wissenschaftlichen Nachwuchs heran – seine Studenten tragen die bahnbrechenden Erkenntnisse in die ganze Welt.

Doch eines will Wundt nicht, die Psychologie ausschließlich in der Naturwissenschaft angesiedelt wissen: Der Psychologe solle nicht zum „bloßen Experimentator“ verkommen, sondern ein „psychologisch und philosophisch durchgebildeter Mann“ sein. Es ist Sigmund Freud, ebenfalls ein Zeitgenosse Wundts, der seine Psychoanalyse, mithin die Psychologie, in der Geisteswissenschaft ansiedelt. Letztlich setzt sich der Disput jedoch bis heute fort – die Hirnforschung, angespornt durch technisches Know-how, geht jüngst der menschlichen Seele wieder verstärkt physiologisch auf den Grund.

Neben dem bis zu seinem Tod 1920 unermüdlichen Gelehrten gab es aber noch einen anderen Wundt, den politisch aktiven. Auf dem linken Flügel der liberalen badischen Fortschrittspartei beheimatet, unterstützt er liberale Reformen. In den sechziger Jahren engagiert er sich in der deutschen Arbeitervereinsbewegung, ist Mitbegründer des Heidelberger Arbeiterbildungsvereins. Von 1864 bis 1868 vertritt er den Wahlkreis Heidelberg in der Zweiten Kammer der Badischen Landstände. Insbesondere akademischer Themen und Schulfragen nimmt er sich an. So macht sich Wilhelm Wundt für eine Gesetzgebung stark, die den privilegierten Status von Studenten vor Gericht beendet. Auch bringt er die hart umstrittene Säkularisation der öffentlichen Schulen voran.

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