Praktikum im „Florida der Kanadier“
Praktikum in der kanadischen Partnerstadt Windsor in der Provinz Ontario
Manchmal bestätigen sich Klischees über Land und Leute vor Ort. Diese müssen zum Glück nicht immer negativer Natur sein. In meinem Fall kann ich die außergewöhnliche Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und Offenheit der Kanadier hervorheben, die mir entgegengebracht wurde. Mein Name ist Christoph Nolte, ich bin 22 Jahre alt und habe mein Studium bei der Stadt Mannheim in der Fachrichtung "Öffentliche Wirtschaft" - an der Dualen Hochschule Mannheim absolviert. Im Rahmen meines Studiums hatte ich die Möglichkeit, für sieben Wochen in der Stadtverwaltung von Windsor mitzuarbeiten. Im Bereich Environmental Service konnte ich in Eigenregie ein Projekt zur Erfassung bzw. Feststellung der Partizipationsquote am Recyclingprogramm im gesamten Stadtgebiet durchführen. Zudem habe ich als freiwilliger Helfer am ersten „Open Streets“ Event in Windsor teilgenommen.
Windsor ist die kanadische Partnerstadt Mannheims. Sie ist circa 6686 Kilometer von Mannheim entfernt. Sicherlich hätte ich diese Art von Praktikum auch in einer näherliegenden Partnerstadt machen können, doch der Reiz in Nordamerika arbeiten zu können sowie Land und Leute kennenzulernen war am Ende doch einfach zu groß.
Um Ihnen Windsor etwas näher zu bringen, möchte ich die Stadt kurz mit Mannheim vergleichen. Seit 1980 besteht der Partnerschaftsvertrag mit der 210 .000 Einwohner-Stadt im äußersten Süden Kanadas. Windsor liegt am Detroit River und damit direkt gegenüber der gleichnamigen US-amerikanischen Autometropole. Die Lage der beiden Städte lässt sich mit der von Mannheim und Ludwigshafen vergleichen. Nur dass man beim Übertreten der Grenze in einem anderen Land ist und vorher noch durch die Grenzkontrolle muss. Die Kontrollen bei Grenzübertritten waren anfangs tatsächlich ungewohnt, aber das wird nach und nach zur Routine. In der Arbeiterstadt Windsor spielt die Autoindustrie genauso eine große Roll wie in ihrer US-amerikanischen Nachbarstadt Detroit. Fahrradfahrer sind selten zu sehen. Dies ist aber auch den weiten Entfernungen geschuldet, die einen Verzicht auf das Auto häufig schwierig machen, da auch der öffentliche Nahverkehr nicht so gut ausgebaut ist wie in der Metropolregion Rhein-Neckar. Viele Nordamerikaner fahren sehr große Pickups. Aufgrund der weiten Straßenraumgestaltung kann man sich dort mit solchen Fahrzeugen viel einfacher fortbewegen, als dies hier möglich wäre. Als Europäer war ich dennoch etwas über den immensen Benzinverbrauch dieser Fahrzeuge erschrocken. In Zeiten des Klimawandels sollte ihre Notwendigkeit kritisch hinterfragt werden.
Für Europäer ist es außerdem ungewohnt, dass die Steuer auf die Waren erst an der Kasse hinzugerechnet wird. Somit hat man nur selten das Bargeld passend zur Hand. Das Bezahlen mit der Kreditkarte wurde für mich also Mittel zum Zweck, um die Leute in der Schlange nicht zu sehr aufzuhalten.
Während meiner Zeit in Windsor - vom Juli bis August 2016 - waren die Temperaturen mit denen in Mannheim vergleichbar. Für kanadische Verhältnisse war es sehr heiß und schwül. Es gab wenige Tage, an denen die Temperatur unter 30 Grad Celsius lag. Die schöne Landschaft der Provinz Ontario lädt zum Wandern und Rad fahren ein. In der Nähe von Windsor gibt es sogar ein Weingebiet. Im Süden von Ontario befindet sich mit Point Pelee einer der kleinsten Nationalparks Kanadas, welcher genauso wie die Provinz Ontario einer Halbinsel gleicht. Dies liegt daran, dass verschiedene Seen und Flüsse eine einzigartige Landschaft geformt haben. Wer gerne an den Strand geht, kann dies im Sommer auch in Kanada tun. In der kleinen Stadt „Gran Bend” trifft man gerade bei hochsommerlichen Temperaturen viele Kanadier, die eine Abkühlung brauchen und diese kleine Stadt beinahe überrennen.
Ich habe Windsor als eine sehr multikulturelle Gesellschaft wahrgenommen, insbesondere Italiener und Libanesen bilden große Einwanderergruppen. Vor allem die Automobilindustrie hat in der Vergangenheit viele Arbeiter aus dem Ausland angelockt. Die Stadt gehört zu den internationalsten im ohnehin multikulturellen Bundesstaat Kanada. Das Zusammenleben empfand ich als sehr harmonisch. Ich habe mich in Windsor zu jederzeit sicher gefühlt, auch wenn auf der anderen Seite des Rivers mit Detroit eine Stadt mit einer der höchsten Kriminalitätsraten der USA liegt. In Kanada herrscht aber auch ein strikteres Waffengesetz, was ich als angenehm empfand.
Ich persönlich würde Windsor als eine offene und herzliche Stadt beschreiben, die stark von Detroit geprägt ist, aber trotzdem kanadisch bleibt.
Was mir persönlich auffiel, ist, dass es in Windsor zahlreiche große und kleine öffentliche Parks gibt, welche das urbane Erscheinungsbild auflockern. Dazu trägt auch eine Vielzahl von frei zugänglichen Sportanlagen bei. Vor allem die Zahl an Baseballdiamonds hat mich sehr erstaunt und mir bewusstgemacht, dass es viele Möglichkeiten gibt, fit und in Bewegung zu bleiben. Die schönen, von der Stadt gepflegten Parks und Anlagen laden einen förmlich dazu ein Sport zu treiben.
Vor allem die Riverside von Windsor ist wunderschön. Diese Parkanlage erstreckt sich über fünf Kilometer direkt am Fluss entlang und bietet einen Blick auf die Skyline von Detroit. Diese "Riverside" gilt als eine der schönsten Sehenswürdigkeiten der Stadt und lädt Einwohner sowie Gäste dazu ein, dort mit dem Rad fahren oder spazieren zu gehen.
Die Mitarbeiter der Stadt Windsor waren sehr freundlich und hilfsbereit. So haben sie es mir ermöglicht, eines der dortigen Fire Departments sowie das SWAT-Team der Stadt Windsor zu besuchen.
In meiner Freizeit habe ich unter anderem Detroit, Toronto und die Niagara Fälle besucht – beide sind nur rund drei Stunden entfernt. Auch Chicago, wo ich nach dem Praktikum eine Woche Urlaub verbracht habe, erreicht man mit dem Auto in gut vier Stunden. Wer die Chance hat, ein Praktikum oder Urlaub in der Region zu machen, sollte wirklich versuchen, so viel wie möglich mitzunehmen und offen für neues zu sein. Möglichkeiten dazu gibt es zur Genüge. Während meinen insgesamt acht Wochen in Nordamerika habe ich beispielsweise verschiedene MLB-, MLS- und NFL-Spiele, Museen, Nationalparks sowie ein Drake-Konzert mit Eminem als Überraschungsgast besucht.
Als abschließendes Fazit bleibt nur eines zu sagen: Kanada war die beste Zeit meines Lebens, geprägt von unglaublichen Menschen und Erlebnissen, die mir für immer in Erinnerungen bleiben werden. Ich bin sehr dankbar für eine geniale Zeit, die mir immer ein Lächeln auf meine Lippen zaubern wird. Abschließend möchte ich mich noch ausdrücklich bei den Personen bedanken, die mir diese Erfahrung ermöglicht und mich tatkräftig unterstützt haben: Frau Jana Garbrecht vom Fachbereich Vielfalt, Internationales und Protokoll der Stadt Mannheim sowie Ms. Anne-Marie Albidone vom Environmental Service und Ms. Shelley Maxwell vom Human Resources Department der Stadt Windsor!
Christoph Nolte, November 2016