Ein Semester in Istanbul - ein Bericht von Yasemin Güney
„Wenn es auf der Welt nur ein Land gäbe, dann wäre die Hauptstadt Istanbul.“ (Napoleon)
Auslandsemester in Istanbul
Yasemin Güney
Riesig. Lebendig. Überfüllt. Chaotisch. Modern. Historisch. Erschreckend. Faszinierend. Aufregend. Fremd. Nah. Europäisch. Orientalisch. Sehenswert. Einmalig. Wunderschön. Istanbul lässt sich einfach schwer in Worte fassen, schwer definieren und beschreiben. Deswegen will ich gleich zu Anfang meines Berichtes jedem Leser den Ratschlag geben, die unikate Metropole in der Türkei doch einmal selber zu besuchen und zu staunen.
Glücklicherweise hatte ich von Januar bis März 2013 im Rahmen meines Studiums an der Dualen Hochschule für Sozialwesen in Stuttgart die Möglichkeit ein Auslandspraktikum in der Partnerstadt Mannheims zu absolvieren. „Teşekkürler! Çok iyi oldu!“ (Danke! Es war toll!)
Während meiner 3 Monate in der inoffiziellen Hauptstadt der Türkei konnte ich mir einen Überblick über die Stadt und ihre verschiedenen Ortsteile und Sehenswürdigkeiten machen.
Ganz besonders ans Herz gewachsen ist mir Beyoglu, der Stadtteil, indem sich auch mein Arbeitsplatz und meine Wohngemeinschaft befand. Die Altbauwohnung ist genau hinter dem Wahrzeichen Beyoglu´s, dem berühmten Galata Turm, angesiedelt. Zu Fuß konnte ich meinen Arbeitsplatz, den Fachbereich und das dazugehörige Büro in 20 Minuten erreichen. Mein Weg führte mich durch die Istiklal Caddesi, die Hauptader des Stadtteils, in der es schon oder noch morgens sehr gesellig zuging. Besonders auffallend und interessant ist das zweite Wahrzeichen von Beyoglu, die alte Straßenbahn, die durch die eben erwähnte lange Fußgängerzone führt und eines der meist fotografierten Motive ist.
Beyoglu kann auch als das pulsierende Zentrum Istanbuls verstanden werden. Speziell hier wurde es mir nie langweilig. Von Mussen, Gallerien und kulturellen Einrichtungen über Einkauszentren und Einkaufsmeilen bis hin zu einer Vielzahl von Bars, Clubs und Konzerthallen findet sich hier alles. Der Stadtteil ist geprägt von seinem Multikulturalismus und lebt davon.
Der Schwerpunkt meines Studiums liegt im sozialen Bereich. Aus diesem Grund war ich sehr interessiert an den verschiedenen Handlungsfeldern der sozialen Arbeit in Istanbul, von denen auch einige von der Stadtverwaltung in Beyoglu betreut, veranstaltet und koordiniert werden.
Ich hatte die Möglichkeit bei vielen verschiedenen Veranstaltungen mitzuwirken, unterschiedliche Einrichtungen kennenzulernen, türkische Facharbeiter und Einwohner des Stadtteils zu treffen und von ihnen zu lernen. Einblicke hatte ich unter anderem in das neu gestaltete Gençlik Merkezi (Jugendhaus), in kulturelle Planungen und Durchführungen von Events, in internationale Treffen, in soziale Einrichtungen wie zum Besipiel den Sosyal Market (Sozialer Markt) für die sozial schwächeren Einwohner und in die Nachbarschaftshilfen des Stadtteils, die Semt Konakları, die mich besonders bewegt haben.
Die Nachbarschaftshilfen sind vorwiegend in den sozialen Brennpunkten von Beyoglu angesiedelt. Je nach Ortsteil oder Lage fällt die Ausstattung und die Zuständigkeit unterschiedlich aus, aber generell kann man sagen, dass alle menschlichen notwendigen Bedürfnisse, die im Zusammenhang mit dem Existenzminimum der Bevölkerung zusammenhängen, hier erfüllt werden können. Menschen ohne Schlafplatz, ohne materielle Güter, ohne Krankenversicherung, ohne Wasserzugang oder ohne den Zugang zu Bildungsabgeboten finden hier Unterstützung, Beratung, Gemeinschaftsgefühl und die Möglichkeiten, diese Bedürfnisse zu erfüllen.
Speziell in der Nachbarschaftshilfe in Kasimpaşa, das hier abgebildet ist, finden sich viele Beispiele für die soziale Hife. Hier gibt es eine Kantine, in der Bedürftige, Essen zu sich nehmen oder mit nach Hause nehmen können, eine Wäscherei für dreckige Klamotten, sanitäre Anlagen für die Hygiene, einen sozialen Markt mit günstigen Utensilien, medizinische Notversorgung, Weiterbildungskurse und Sprachkurse und generell einen Ort, an dem man andere Menschen treffen kann, Kontakte knüpfen kann und Gemeinschaft erspüren kann.
Oftmals nehmen auch Flüchtlinge oder Einwanderer die Nachbarschaftshilfen in Anspruch, deswegen war es ganz praktisch, dass ich Deutsch und Englisch sprechen konnte. Während meines Aufenthaltes konnte ich also nicht nur meine Türkischkenntnisse verbessern, sondern auch mein Englisch vertiefen.
Auffallend in der Türkei sind einfach die durchgängig familiären Strukturen. Im Umgang mit den Klienten, den Kollegen und anderen Menschen ist man sehr offen, hilfsbereit und zeigt eine große Portion von Vertrauen und Akzeptanz. Ich persönlich habe mich sehr schnell aufgenommen gefühlt und konnte dieses Gefühl dann auch an die anderen Besucher weitergeben. Die S
Die soziale Arbeit wird in jedem Fall auch in der Türkei wahrgenommen und groß geschrieben. Ich konnte in den 3 Monaten viel mitnehmen, nicht nur im Zusammenhang mit meinem Studium oder der neuen Fremdsprache, sondern auch mit Hinblick auf die neuen Kontakte, die persönliche Entwicklung und das Erforschen der Stadt Istanbul und dem Land Türkei.
Viele Kleinigkeiten vermisse ich in Deutschland schon jetzt. Unter anderem der alltägliche Ruf des Muezzins, die einladenden Süßigkeitengeschäft, die auf der Straße gegrillten frischen Fischbrötchen, die Teeläden, die wunderschönen Moscheen, das Kreischen der Möwen, das Überqueren des Bosporuses mit der Fähre oder allgemein das Meer.
Istanbul hat so viel zu bieten, zentral in der Stadt und in der näheren Umgebung und ist aufjedenfall mit Hinblick auf Urlaub, auf Kultur, auf Spannung, auf Vergnügen oder auf Entdeckertouren eine Reise wert. Eine Sache kann man in der riesigen Stadt allerdings nicht. Still sitzen und Nichts tun!
Stadt, Land und Leute haben eine spezielle, sehr angenehme Atmosphäre. Generell kann man nur positive Dinge erzählen und bereichert zurückkehren.
„İstanbul Saklasın bizi,
Boğazında düğümlesin,
Kimseler göremesin, bulamasın ikimizi!“
(Kıraç - İstanbul Saklasın Bizi)
„Istanbul, versteck uns,
verknüpfe uns mit dem Bosporus,
so dass niemand uns sieht und findet.“